Katharina Gaenssler
UP!
20. September – 13. Oktober 2025
Simulation der Installation UP! von Katharina Gaenssler vor dem MINSK Kunsthaus in Potsdam. © Katharina Gaenssler
Ab dem 20. September bespielt die Künstlerin Katharina Gaenssler (*1974, München), die Außenfläche des MINSK Kunsthaus in Potsdam mit einer temporären Installation. Auf der Terrasse des MINSK wird über drei Wochen hinweg und schon von weitem sichtbar ein sechs Meter hoher, farbintensiver, nachts von Innen beleuchteter Ballon als skulpturales Bildobjekt schweben – nicht als Flugkörper, sondern als soziale Skulptur.
Die Arbeit UP! erinnert an eine der spektakulärsten Fluchtgeschichten der DDR: jenen selbstgebauten Heißluftballon, mit dem die Familien Strelzyk und Wetzel über die innerdeutsche Grenze in die Bundesrepublik flohen. Gaenssler knüpft an ein ikonisches Moment in der deutsch-deutschen Geschichte an und verwandelt den Ballon in ein unübersehbares Symbol, das Erinnerung und Gegenwart miteinander verbindet.
„Der Ballon interessiert mich als Bildträger für Demokratie und Freiheit. Die Familien Strelzyk und Wetzel haben mit ihrem Ballon in einer dramatischen Lebenssituation mit einer lebensbedrohlichen Entscheidung ein mittlerweile ikonografisch buntes Bild geschaffen, das wir heute als Symbol für die Demokratie nutzen dürfen. Dass der Ballon heute den Weg zurück in die ehemalige DDR nehmen kann, ohne sich einer Gefahr aussetzen zu müssen, ist ein Bild von Hoffnung und Freiheit“, so Gaenssler.
Vom Flugobjekt zum sozialen Raum
Mit UP! transformiert Gaenssler ein historisches Fluchtmittel in ein öffentliches Kunstwerk. Auf Basis dokumentarischer Schnittzeichnungen und Stoffanalysen hat Gaenssler eine farb- und maßstabsgetreue Version des Ballons geschaffen, um dem ursprünglichen Material – aus Regenschirmseide, Taft und Bettwäsche gefertigt – so nahe wie möglich zu kommen. Der Ballon wird zu einem Symbol für Selbstermächtigung und die Kraft gemeinschaftlicher Handlung.
Wie in vielen Werken der Künstlerin spielt der Prozess der Übersetzung in unterschiedliche Formen eine wichtige Rolle, so auch bei dieser Installation: Nach Ausstellungsende wird die Ballonhülle recycelt und in eine mobile Sitzskulptur für DAS MINSK verwandelt. Der Upcyclingprozess ist integraler Teil des künstlerischen Konzepts: Aus einem Symbol der Flucht wird ein Ort für Begegnung und Gemeinschaft – dauerhaft im öffentlichen Raum des Hauses verortet.
„Der Ballon steht für die Kraft von Träumen und kollektivem Handeln. Die Tatsache, dass es den beiden Familien 1979 gelang, diesen riesigen Flugkörper unbemerkt herzustellen und die kühne Flucht in den Westen glückte, ist nach wie vor unfassbar. Katharina Gaenssler hat mit ihrer Installation eine Hommage an die historische Fluchtgeschichte geschaffen, geht aber darüber hinaus und spricht eine Einladung an uns aus, über aktuelle gesellschaftspolitische Themen zu reflektieren. In unserer Gegenwart stellt die Suche nach Freiheit, Gemeinschaft, Flucht und Exil nach wie vor große Herausforderungen für viele Menschen dar und wir benötigen dringend Räume, um gesellschaftspolitische Themen zu verhandeln. Als eine temporäre künstlerische Installation am MINSK in Potsdam soll er Mut machen, gemeinsam zu träumen und darauf zu vertrauen, mit der eigenen Wirkmächtigkeit etwas zu bewegen. Ich wünsche mir, dass er auch DAS MINSK um einige Zentimeter in die Höhe heben wird!“, sagt Anna Schneider, Direktorin des MINSK.
Kunst, Geschichte und Verantwortung
UP! lädt auch dazu ein, sich erneut mit der Kunstgeschichte der ehemaligen DDR auseinanderzusetzen, in der Motive des Fliegens, sei es durch einen Ballon, Flugzeuge, Vögel oder auch das vielschichtige Ikarus-Motiv, häufig anzufinden waren. Beispielsweise hat das Ikarus-Motiv in der Malerei aus der ehemaligen DDR eine ambivalente Bedeutung: einerseits als Symbol für sozialistischen Fortschritt aber auch als Sinnbild für Freiheitsstreben und Selbstbestimmung. So kann die Installation mit der Sammlung und der Geschichte des MINSK verknüpft werden und öffnet sie für aktuelle Perspektiven. UP! lädt dazu ein, über historische wie aktuelle Flucht- und Migrationsbewegungen, über Demokratie, Mut und gesellschaftlichen Zusammenhalt nachzudenken.
Begleitend zur Installation wird es ein vielseitiges Rahmenprogramm über drei Wochenenden geben. Workshops für Kinder, Filmvorführungen, ein Artist Talk sowie DJ-Sets eröffnen unterschiedliche Zugänge zum Werk und schaffen Raum für Austausch, Kreativität und Reflexion. Das Programm lädt Besucher:innen aller Altersgruppen ein, sich künstlerisch und gesellschaftlich mit den Themen der Installation auseinanderzusetzen. Ein besonderer Höhepunkt: Am 27. September feiert DAS MINSK seinen dritten Geburtstag – und lädt alle Besucher:innen herzlich ein, diesen besonderen Anlass gemeinsam zu feiern.
Der Fluchtballon, der 1979 bei Naila landete (hier zu sehen in Hof, 1985, bei einem Flugplatzfest). © Günter Wetzel
UP! ist eine Leihgabe des Haus der Bayerischen Geschichte in Regensburg. Katharina Gaenssler gewann dort mit dem Projekt einen Wettbewerb für Kunst am Bau. Seit 2024 steigt dort an bestimmten Tagen im Jahr ein verkleinerter Nachbau des Fluchtballons über dem Museum in den Himmel.