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Eine literarische Reihe begleitend zur Ausstellung Wohnkomplex

Begleitend zur aktuellen Ausstellung Wohnkomplex. Kunst und Leben im Plattenbau finden monatlich Lesungen statt, die zu einer literarischen Auseinandersetzung mit Architektur, Plattenbauten der DDR und ihrer kritischen Reflexion in der Gegenwart einladen.

Anknüpfend an die Frage der Ausstellung, wie die ostdeutschen Plattenbau-Siedlungen in der Kunst verhandelt werden, geben Autor:innen literarische Impulse, erkunden neue Narrative und setzen die Erzählungen über das Leben in Plattenbauten der DDR in einen aktuellen Kontext.

Renommierte Autor:innen wie Katja Oskamp, Florentine Anders, Hendrik Bolz und Grit Lemke stellen auf vielfältige Weise ihre Bücher vor.

Die von Maria-Christina Piwowarski moderierten Lesungen finden monatlich im Café Hedwig oder im Foyer des MINSK statt. Im Veranstaltungsticket ist ein Ausstellungsbesuch ab 17 Uhr enthalten.

 

Buchcover »Die Allee« von Florentine Anders © Galiani Berlin

FR, 17. Oktober 2025, 19 Uhr (Ausverkauft)

Florentine Anders, Die Allee, 2025, Verlag Kiepenheuer & Witsch

Hermann Henselmann gehört zu den bedeutsamsten Architekten der DDR, der unter anderem die Stalinallee (heute Karl-Marx-Allee) und den Fernsehturm Ost-Berlins entwarf. Als Chefarchitekt des Ost-Berliner Magistrats prägte sein Wirken die Architektur und den Städtebau in der DDR der 1950er und 1960er Jahre.

Seine Enkelin Florentine Anders erzählt in ihrem Roman Die Allee die faszinierende Geschichte ihrer Familie vor dem Hintergrund sozialistischer Architekturgeschichte.

Der charismatische, von den Ideen des Bauhauses und der Avantgarde durchdrungene Idealist Hermann Henselmann, steigt nach dem Krieg zum Chefarchitekten Ost-Berlins auf und soll dort in Konkurrenz zu den West-Berlinern um Scharoun & Co. treten soll. Der Preis: Ständig muss er lavieren und manchmal auch zu Kreuze kriechen, um wenigstens die Grundlagen seiner modernistischen Ideen vor den starren Vorstellungen der Politführung zu retten. Und da ist vor allem Henselmanns Frau Irene (Isi), hochbegabt, die auch als Architektin arbeiten will, aber mit einer auf acht Kinder anwachsenden Familie zu kämpfen hat, ständig die Scherben aufkehren muss, die ihr Mann hinterlässt, und sich zunehmend selbst emanzipiert. Die Tochter Isa entzieht sich der Kontrolle des cholerischen Vaters und sucht ihren eigenen Weg. (Verlag Kiepenheuer & Witsch)

Der hochgelobte Roman ist Architektur, Zeit- und Familiengeschichte in einem und gehört zu den starken DDR-Aufbereitungen der jüngeren Zeit. Florentine Anders beschreibt anschaulich, wie groß die Spannung zwischen sozialistischer Utopie und beengender realsozialistischer Wirklichkeit war.

Im Café Hedwig liest die Autorin an diesem Abend aus ihrem Buch und spricht gemeinsam mit Maria-Christina Piwowarski über die komplexe Welt der Architektur, die Geschichte einer Emanzipation und über die Entstehung ihres Romans.

 

DO, 20. November 2025, 19 Uhr 

Hendrik Bolz, Nullerjahre. Jugend in blühenden Landschaften, 2022, Verlag  Kiepenheuer & Witsch 

Was Hendrik Bolz, Teil der Band »Zugezogen Maskulin«, üblicherweise in poetisch-harten Rap verwandelt, hat er auch literarisch verarbeitet: In seinem Roman »Nullerjahre« lässt er (s)eine Nachwende-Jugend in Mecklenburg Vorpommern lebendig werden, erzählt vom Aufwachsen in Stralsund, einer Stadt, die zwar längst nicht mehr »DDR« hieß, in der die westliche Normalität aber nur im RTL-Nachmittagsprogramm zu finden war. (Kiepenheuer & Witsch) 

Schonungslos authentisch und unterhaltsam erzählt der Autor und Rapper mit autobiografischem Blick von seiner Kindheit und Jugend in der Mecklenburgischen Provinz zu Zeiten der Jahrtausendwende mit brutalen Gewalterfahrungen, von der Allgegenwärtigkeit Rechtsradikaler und von Alkohol und Drogen, um der kargen Realität zu entfliehen. Bolz persönliche Erfahrungen sind dabei mit gut recherchierten Fakten zu sozial-politischen Hintergründen untermauert. 

»Nullerjahre« ist eine Mischung aus Popliteratur, Coming-of-Age-Geschichte und sozialwissenschaftlicher Recherche und wurde inzwischen von zahlreichen Häusern als Theaterstück inszeniert.  

An diesem Abend liest der Autor aus seinem Buch und spricht gemeinsam mit Maria-Christina Piwowarski über die schmerzvollen Nachwirkungen der DDR in Ostdeutschland, wie die 2000er Jahre eine ganze Generation prägten und über die Transformationsprozesse Ostdeutschlands nach der Wende. 

Ein besonderer Abend, der nicht nur zur persönlichen, sondern auch zur gesellschaftlichen Reflexionen anregt. 

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Leuchtendes Buchcover von Nullerjahre

Buchcover: Nullerjahre von Hendrick Bolz © Kiepenheuer & Witsch

Buchcover: »Kinder von Hoy« von Grit Lemke © Suhrkamp Verlag

MI, 10. Dezember 2025, 19 Uhr 

Grit Lemke, Kinder von Hoy: Freiheit, Glück und Terror, 2021, Suhrkamp Verlag 

Hoyerswerda – einst DDR-Musterstadt: aus dem Heideboden gestampft, aus Bauelementen zusammenmontiert, in der morgens die Eltern in Schichtbussen davonrollten und die Kinder in einem Kollektiv aufwuchsen. Eine Stadt, die durch die rassistischen Ausschreitungen 1991 traurige Berühmtheit erlangte.  

In ihrem dokumentarischen Roman verschränkt Grit Lemke die Stimmen der Kinder von Hoy zu einer mitreißenden Oral History und gibt einer Generation Gehör, für die Traum und Trauma dicht beieinanderlagen.  

Sie versammelt Gespräche mit Freunden und Familie und erzählt von ihrem eigenen Leben in Hoyerswerda als Teil einer proletarischen Boheme um Gerhard Gundermann, die sich nachts im Kellerclub trifft und tagsüber malocht. Als nach der Wiedervereinigung Neonazis das erste Pogrom der Nachkriegszeit verüben, bleibt die Kulturszene tatenlos. Danach ist nichts mehr, wie es war. (Suhrkamp Verlag) 

Grit Lemke zeichnet ein beeindruckend nachhaltiges Porträt ihrer Generation und des Landes, in dem sie lebte. Illustriert mit ausgewählten Fotos zu ihrem Buch liest die Autorin und Regisseurin an diesem Abend im Café Hedwig. 

Gemeinsam mit Maria-Christina Piwowarski spricht sie über Hoyerswerda, den Verlust von Stolz auf die Stadt, Veränderungen und Verwerfungen der Nachwendezeit und eine neue, nachwachsende Generation in ihrer Heimatstadt. 

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Kurzbiografie Maria-Christina Piwowarski

Maria-Christina Piwowarski ist 1982 in Haldensleben geboren und in einem kleinen Dorf in der Magdeburger Börde aufgewachsen. Sie ist gelernte Buchhändlerin und hat zuletzt die Berliner Buchhandlung ocelot geleitet. Sie betreibt zusammen mit Ludwig Lohmann seit 2019 den blauschwarzberlin Literaturpodcast, der seit Herbst als Livestream aus der Stabi-Berlin gesendet wird. Sie moderiert Lesungen und Veranstaltungen im Kulturbetrieb und schreibt. Im Herbst 2024 erschien die von ihr herausgegebene Anthologie Und ich — 20 Geschichten von Wendepunkten des Lebens

Maria-Christina Piwowarski © Andreas Schmidt